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Tierrechtsarbeit ist Arbeit

Überraschung. ;-)

Oder wie K. aus S. zu sagen pflegt: „Tierrechtsarbeit war noch nie ein Hobby.“

Leider denken nicht viele wie K. aus S. und es gibt wenige, die der Tierrechtsarbeit mehr Raum einräumen als ein paar Aktionen im Jahr. Man hat sich mal für PeTA ausgezogen, man geht mal auf eine Demo, man trifft sich mit anderen Veganern und irgendwie ist man halt auch Tierrechtler und trägt viele bunte Buttons und so.

Die Tatsache, dass Fress- und Spieleabende für Vegetarier und Veganer besser besucht sind als Organisationstreffen, dass jedes zweite Tierrechtstreffen ein Kaffeeklatsch ist, dass viele Gruppen froh sind, wenn sie zweimal im Jahr einen Infostand zustande kriegen, das ist traurig und mehr noch, das ist tödlich. Inaktivismus tötet.

Während man also eigentlich gegen Tierausbeutung kämpfen möchte, ist man hauptsächlich damit beschäftigt die eigenen Leute bei Laune zu halten, seine Veranstaltungen zum Abenteuerevent für verwöhnte Demonstranten zu gestalten und sich hinterher anpflaumen zu lassen. Alle wollen mitreden, keiner will mitarbeiten.

Eine Veranstaltung zu organisieren ist Arbeit aber ich will keine Anerkennung und kein Händeschütteln dafür, ich will dass mir jemand einen Teil der Arbeit abnimmt, ich will Aktionen im ganzen Land, in jeder Stadt, an jedem Tag!
Ich will keine Leute, die sich beschweren, dass die Demoleitung keine Sonnencreme und Lutscher für alle Demoteilnehmer dabei hat, ich will Leute, die die Sache selber in die Hand nehmen.

 

Denn wann, wenn nicht jetzt?

Wo, wenn nicht hier?

Wer, wenn nicht du?

Dezemberzitat

Von diesem lesenswerten Blog geklaut: Vegan Animal Liberation Alliance (VALA)

I’m fighting a war against exploitation and cruelty, I’m fighting against some of the largest industries in the world, killing animals is extremely lucrative, and fighting for animals is only lucrative for those who are prepared to sell out.

So if someone wants to take some of the load off my shoulders and organise an Anti-Fur protest, I will say: good, thank you. …

VALA über single-issue Kampagnen.

This kind of approach does not seem to be about making life better for the majority of living being on the planet, it seems to be about controlling the behaviour of a few followers.

VALA über G. Francione. ;-)

Das eigene Leben und die anderen

Eine Frage die sich vielleicht jeder Aktivist immer mal wieder stellen wird ist: „Tue ich eigentlich genug?“

Ich bin grundsätzlich optimistisch was das Erreichen von Tierrechten angeht, aber auch realistisch, was den Zeitraum betrifft, innerhalb dessen wir eine wirkliche Veränderung beobachten werden. Mein Ziel beinhaltet aber nicht in erster Linie die Durchsetzung bestimmter politischer Forderungen, sondern eine Verbesserung der Situation aller tierlicher Individuen, also insbesondere auch der jetzt und in dem entsprechenden Zeitraum Lebenden und Sterbenden. Der Zeitfaktor, die Trägheit der Massen spielt also gegen mich.
Denn es sind nicht 56 Milliarden Landtiere, die jedes Jahr allein für den Fleischkonsum getötet werden – es ist ein Individuum, das getötet wird und das 56 Milliarden Mal.

Und während dieses Individuum getötet wird, 1774 Mal pro Sekunde, mache ich mir Gedanken über Galaxien, Schuhe und Weihnachtsgeschenke.

Natürlich macht es keinen Sinn sich in Selbstvorwürfen zu ertränken, aber nach den eigenen Prioritäten zu fragen ist sicher nicht verkehrt. Zwar bin ich auch nur ein Mensch, der auch nicht beliebig strapazierfähig ist, aber mit welchem Recht gehe ich meinem Vergnügen nach (und ja, Gedanken über Galaxien sind sehr vergnüglich) während andere im eigenen Kot dahinvegetieren?

Ich studiere ja leider ein Fach, das so gar nichts mit Tierrechten zu tun hat und stehe langsam vor der Entscheidung, was ich mit meiner Zukunft anfangen will. In einer besseren Welt wäre das hier ein Blog über Astrophysik und ich würde über das auf und ab einer Karriere in der Wissenschaft berichten und von der Umbenennung der Milchstraße in Sojadrinkstraße. *

Allerdings ahne ich schon jetzt, dass dann wenig Zeit bleiben würde für Engagement in der Tierrechtsbewegung und das ist zwar kein Beruf, aber ein großes Anliegen, eine Berufung.  Auf der anderen Seite weiß ich natürlich nicht genau auf welche Art sich mein Einfluss maximieren lässt, vielleicht ist eine piyh die sich Gedanken über Galaxien macht auch auf irgend eine Art nützlich. Und ist eine piyh, die sich keine Gedanken mehr über Galaxien macht glücklich und ist eine unglückliche piyh produktiv und über einen längeren Zeitraum mit Engagement bei der Sache? Wo liegen meine Grenzen?

Ich habe ja durchaus einige Vorbilder in der Bewegung, die ihre Karriere geschmissen oder riskiert haben um sich für andere einzusetzen, aber ich weiß nicht  ob ich auch heldenhaft genug bin um diesen Schritt zu gehen und ob er überhaupt sinnvoll und heldenhaft ist.  Aber ich kann auch nicht auf Dauer ein Doppelleben führen, nicht während dieses Individuum getötet wird, unzählige Male.

* Dabei handelt es sich der namensgebenden Legende nach ja sogar um menschliche Muttermilch, die aber auch nicht freiwillig abgegeben wurde.

Wie die Tierindustrie via Terrorismusprävention TierschutzaktivistInnen verfolgen lässt

Vortrag von Prof. John Sorenson:

Prevention of terrorism is a serious concern and we rightly wish to protect innocent people from violence. However, the ?terrorism? label is increasingly being manipulated and devalued by those who wish to use it to criminalize dissent. In North America and in the United Kingdom powerful industries such as agribusiness and pharmaceuticals have spent millions on lobbying government to create repressive laws to protect their interests and on propaganda campaigns to demonize animal activists. To serve their own interests, industries have invented a myth of ?animal rights terrorism.? In this presentation, Dr. John Sorenson will discuss some of the institutional interests active in these campaigns.

Quelle

Will Potter in Deutschland – Vorträge organisieren

Will Potter, unabhängiger Journalist, spezialisiert auf den „Kriegen gegen den
Terror“, vor allem auf die Repressionen gegen Umwelt- und
Tierrechtsaktivisten, ist nächsten Monat für eine Woche in Europa und
sucht noch Leute, die Vorträge organisieren wollen.

http://www.greenisthenewred.com

The only stamp on my passport is from the Republic of Texas. So I am really
excited, and honored (and a bit nervous), to be speaking at the University of
Hamburg in Germany next month. It’s part of New Roads of Solidarity, an
international congress focused on drawing parallels between instances of
government repression, and working together across social movements and
across borders to fight back.

I decided to stay another week in Europe after the conference as a much-needed
vacation after completing a revised draft of the book (more on that later).
However, I have absolutely no plans, no agenda, and no idea what I am doing.
I thought it would be great if I could set up a few more speaking events,
give some structure to the trip, and make the most of my time.

I need your help! Do you know any students, professors, activists, infoshop
volunteers… anyone who would be interested in organizing a speaking event
sometime between October 11th and October 16th, 2010? Other than starting and
ending in Hamburg, I’m pretty much willing to go anywhere if I can make it
work.

Please pass this around to your friends on Facebook and through email. If
nothing else, I’d love to be in touch with like-minded folks who want to
teach a Texan to curse in multiple languages.

Email speaking [at] GreenIsTheNewRed [dot] com.

Das Septemberzitat

Make veganism more of a social movement that is more out there, more talking about connections and justice, and less with baking vegan cookies at home for Christ’s sake. I mean, come out of the kitchen folks!

— Dr. Steven Best, The Left and animal rights activists have much in common

Sowas wie ein Fazit

Mein Aktivismus hat sich ja stark vom Netz auf die Straße verlagert, was dazu geführt hat, dass man hier kaum mehr etwas von mir liest. Aber zwei Jubiläen sind es trotzdem wert erwähnt zu werden. Zum einen lebe ich jetzt seit über einem Jahr vegan und zum anderen mache ich seit über einem halben Jahr Tierrechtsarbeit im realen Leben.
Ich hatte mich ja auf die Suche nach ein paar Leuten gemacht, die mit mir Tierrechtsarbeit machen wollen und bin nach einigen Rückschlägen tatsächlich fündig geworden und wir haben gemeinsam die coolste und lauteste Tierrechtsgruppe Deutschlands gegründet, so der interne Name. ;-)
Besonders wichtig ist es für mich dabei immer noch eine Infrastruktur aufzubauen, also anderen eine Plattform zu bieten, so dass sie ihr Tierrechtsprojekt umsetzen können ohne erst den ganzen Aufwand zu haben, den wir die letzten Monate hatten. Wenn es in Wien 150 Aktivisten gibt, dann können wir das auch, habe ich mir gedacht!
Ich finde es schade, dass die Vereine, die das Geld hätten, es nicht mehr dazu nützen lokalen Aktivismus zu pushen, so dass neu gegründete Gruppen sich momentan erst mal überlegen müssen, wo sie Geld für Flyer und einen Pavillion herkriegen. Auch das ist in Österreich besser.
Ich habe aber nicht vor umzuziehen, es wäre mir lieber, wir hätten hier eine Bewegung wie die in Österreich und vielleicht tut sich da ja in Zukunft was.
Die Erfahrungen, die ich hier gemacht habe waren einerseits sehr positiv, weil ich viele engagierte, nette Leute kennen gelernt habe, aber auf der anderen Seite auch sehr ernüchternd, wenn ich erleben musste, wie Leute nur meckern und andere bei ihrer Arbeit behindern, sich in internen Streitereien und Abgrenzungsbemühungen verausgaben und dabei selbst ihren Arsch nicht hoch kriegen. Das sind dann Leute, die wahnsinnig stolz sind nach monatelanger Diskussion eine Distanzierungserklärung verabschiedet zu haben und auf Demos nicht erscheinen, wenn der Veranstalter keine Sonnencreme mitbringt oder die Route länger als 100 Meter ist. Das ist kein Scherz!
Auf der anderen Seite gibt es dann Leute, die zwar aktiver, aber total unrealistisch sind. Die wollen dann erst mal alle Menschen zu anarchistischen Selbstversorgern machen und der Rest kommt dann von ganz allein, oder so. Die finden es dann doof, wenn es Sojamilch im Supermarkt gibt und nennen das emanzipatorisch. Ich würde mich auch als konsumkritisch bezeichnen, aber das ist einfach nur noch blind. Bah. Außerdem lesen sie Adorno! War ja klar was dabei raus kommt.
Naja, und was will ich? Ich will seriöse, vernünftige, aktive Tierrechtsarbeit.

Was will ich? – Was willst du? – Tofu und Salat dazu! ;-)

Das Julizitat

Ich weiß, es gab kein Junizitat. Dafür gibt es jetzt ein besonders Kurzes, das gar nichts mit Tierrechten zu tun hat. ;-)

Es gehen unzählige zu Grunde, weil sie zwischen Ich und Welt nicht die Mitte finden. Für jeden „berufenen“, das heißt zu einem höheren Grad von Individuation bestimmten Menschen sind die Jugendjahre schwer, weil das Werden der eigenen Persönlichkeit isoliert und Kämpfe und Zweifel bringt. Und später kommt dann die andere Gefahr: dass gerade die Begabtesten am schwersten aus der Befangenheit im eigenen Ich wieder herausfinden, welche die Entwicklungsjahre fordern, und zur Welt in kein fruchtbares Verhältnis kommen können.

Hermann Hesse

International Animal Rights Conference 2011

Darf man eigentlich Facebook glauben schenken? Wenn ja werden nächsten Mai in Frankfurt Steven Best und Gary Francione auf der „International Animal Rights Conference“ sprechen. Das hört sich für mich sehr spannend an. Ich hoffe es gibt auch ein Streitgespräch…

Ah, Carol Adams und und Camille Hankins (NAALPO) sind auch mit dabei.
Was mir noch fehlt wäre jemand, der weder ein Anhänger von Franciones „vegan education“ noch von Bests „total liberation by any means necessary“ ist.

So oder so sollte man sich das Wochenende vom 20. bis zum 22. Mai mal frei halten. Auf der Homepage steht leider noch nicht wirklich viel.

Und jetzt verschwinde ich wieder in der Versenkung.

Ein objektiver Kommentar, zensiert

Ich mag es nicht sonderlich, wenn man mir den Mund verbietet und wenn man mich nicht anhört, dann komme ich eben des Nachts und male meine Botschaft an die Wände oder poste sie hier, wo sie vielleicht niemand liest – aber fürs Protokoll, ihr wisst schon.

Es geht schon wieder um verbohrte Freidenker. Beschämend ist es, dass selbst in der „Oase der Vernunft“ kein Platz mehr für abweichende Meinungen ist:

Wenn Argumente für euch dasselbe sind wie Dogmen, und daran zweifle ich inzwischen nicht mehr, dann schließt euch irgendwo ein und werft den Schlüssel weg, aber verpestet nicht meinen Blog mit euren Ergüssen.

Doch um was für Argumente handelt es sich da, für deren Nichtakzeptanz man den Ausschluss aus der Diskussion und die ewige Verdammnis verdient hat? Es geht um die Behauptung, dass es eine objektive Ethik gäbe. Und das Argument für diese Behauptung lautet:

Sie [die objektive Ethik] beruht auf soziobiologischen und psychologischen Studien und irgendwo offensichtlichen Tatsachen (es ist gut, wenn es uns gut geht), aber sie ist flexibel und widerlegbar.

Ok, also: „Wieso ist das so?“ – „Das ist doch irgendwo offensichtlich!“. Und wenn wir diese Argumentation nicht akzeptieren, dann sind dem Teufel Tür und Tor geöffnet. Denn wenn es keine objektive Ethik gibt, muss doch alles relativ sein? Es ist schon so weit gekommen, dass ich ausgerechnet auf Axel W. Bauer verweisen muss um der Übermacht von zwei „ausgebildeten Philosophen“ etwas entgegen setzen zu können.

2 Wie erkennen oder bestimmen wir das Gute?

Eine klassische Definition des Guten, die auf Platon (427-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) zurück geht, besagt: „Das Gute ist das, wonach alles strebt“. Aus dem offensichtlichen Ungenügen dieser wie auch manch anderer mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit formulierten Begriffsbestimmungen kann man den Schluss ziehen, dass sich das Gute explizit überhaupt nicht erschöpfend definieren lässt. Nach jedem fehlgeschlagenen Versuch bleibt ein gewisser „Bedeutungs-Überschuss“ zurück, durch den der Begriff des Guten sämtliche seiner Definitionen überragt; der Philosoph Richard M. Hare (*1919) bezeichnete ihn deshalb als supervenient und aus diesem Grund als nur implizit erläuterungsfähig (7, 8). Das Gute ist multipel realisierbar und kann deshalb auf abstraktem Wege nicht umfassend bestimmt werden.

Nach welchen Prinzipien sind Moralsysteme dann überhaupt legitimer Weise konstruierbar? Dabei geht es mir nicht um die tatsächliche Entscheidung zwischen gut oder schlecht, richtig oder falsch, also um Moral, sondern vielmehr um die elementaren methodischen Voraussetzungen jedes sinnvollen ethischen Diskurses. Welche wissenschaftlich-systematischen Vorstellungen gibt es über die biologischen, psychologischen, intellektuellen oder sozialen Grundlagen menschlicher Wertentscheidungen? Drei Theorien möchte ich Ihnen jetzt in gebotener Kürze vorstellen, nämlich den Kognitivismus, den Emotivismus und den Institutionalismus.

2.1 Kognitivismus

Nach kognitivistischer Auffassung haben ethische Aussagen denselben Rang wie solche Sätze, mit denen wir eine empirische Erkenntnis oder einen logischen Schluss ausdrücken: Das Verfassungspostulat „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ wäre nach dieser Theorie prinzipiell nicht anders zu beurteilen wie die Feststellung „Das Fell des Katers ist schwarz“ oder der mathematische Satz „Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180O“. Die kognitivistische Theorie hat zum einen den Vorteil, dass sie mit den syntaktischen Regeln unserer Sprache („Die Eigenschaft A des Objekts B hat die Ausprägung C“) überein stimmt. Zum anderen korrespondiert der ethische Kognitivismus mit unserer Alltagserfahrung, die wir gerne als den „gesunden Menschenverstand“ bezeichnen. Die Mehrheit der Philosophen von Platon über Aristoteles bis zu dem britischen Ethiker George Edward Moore (1873-1958) kann zu den Vertretern kognitivistischer Positionen gerechnet werden, die in ihrer Konsequenz zu einem ethischen Objektivismus führen. Der Inhalt moralischer Aussagen ist demnach entweder eindeutig wahr oder eindeutig falsch, weil er mit moralischen Tatsachen übereinstimmt, die ihrerseits in der äußeren Realität objektiv existieren.

Vor allem zwei scheinbar kleine, aber äußerst hässliche Schwierigkeiten haben den Kognitivismus jedoch in Misskredit gebracht. Die erste betrifft das Problem der Wahrnehmung moralischer „Tatsachen“. Die physiologisch bekannten Sinnesorgane des Menschen sind hierfür offenbar ungeeignet; der Kognitivist muss sich deshalb hilfsweise zur Existenz einer „höheren“, metaphysischen Art der Wahrnehmung bekennen, der Intuition. Gerade die wichtige Rolle der Intuition aber widerspricht ihrerseits dem Objektivitätsanspruch, den der Kognitivist erhebt. Die zweite Schwierigkeit besteht in der Ableitung normativer Regeln aus Tatsachenbehauptungen. Nach dem Gesetz von der Unableitbarkeit eines Sollens aus einem Sein, das in der Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) aufgestellt hat, ist der logisch zwingende, also deduktive Schluss von einer feststellenden auf eine normative Aussage unmöglich, da hierbei die Schlussfolgerung durch den Inhalt der Prämissen nicht gedeckt würde. Die Vertreter des ethischen Kognitivismus sind aber ganz im Sinne dieses naturalistischen (G.E. Moore, 1903) oder besser faktizistischen (A.W. Bauer, 1998) Fehlschlusses darauf angewiesen, aus moralischen „Tatsachen“ in deduktiver Weise verbindliche moralische Gebote bzw. Verbote zu entwickeln.

2.2 Emotivismus

Eine radikale Konsequenz aus diesen Widersprüchen ziehen die Anhänger des Emotivismus, unter denen sich der eben genannte Philosoph David Hume (9) befindet. Für den Emotivisten gibt es keine objektiven moralischen Aussagen; nach seiner Meinung beschreibt deshalb etwa der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ keine kognitiv erfassbare Realität, er ist vielmehr das literarische Resümee eines subjektiven Gefühls, einer Emotion. Sowohl der deskriptive Emotivismus bei Hume als auch seine modernen Varianten, etwa die feministisch geprägte Care-Ethik (10), lassen nun allerdings einen verbindlichen Diskurs beinahe aussichtslos erscheinen, denn wenn moralische Aussagen lediglich subjektive, individuelle Gefühle widerspiegelten, dann ließe sich über sie weder vernünftig streiten noch könnte man aus ihnen gar allgemeingültige Bewertungs- oder Handlungsnormen ableiten.

2.3 Institutionalismus

Einen Weg aus den Sackgassen sowohl des Kognitivismus als auch des Emotivismus verspricht schließlich der Institutionalismus, wie ihn 1969 der kalifornische Philosoph John R. Searle (*1932) durch den Begriff der institutionellen Tatsache eingeführt und der Schweizer Philosoph Rafael Ferber auf den Bereich der moralischen Tatsachen ausgedehnt hat (7, 11). Moralische Tatsachen sind demnach keine objektiven physischen oder metaphysischen Realitäten, wie es der Kognitivismus behauptet. Sie sind aber auch nicht bloß subjektive psychische Phänomene, die andere Personen allenfalls zur Nachempfindung oder zur Nachahmung anregen können. Moralische Tatsachen müssen vielmehr als von Menschen historisch geschaffene soziale Institutionen angesehen werden, die innerhalb einer Kultur- und Sprachgemeinschaft nach bestimmten Regeln intersubjektiv konstituiert, stabilisiert, tradiert und modifiziert werden. Diese Regeln folgen der Struktur „A gilt als B im Kontext der Gemeinschaft C“. Institutionelle Tatsachen (institutional facts) sind auf eine bestimmte Art und Weise interpretierte rohe Tatsachen (brute facts), in ihnen gehen Lebenswelt und Sprachwelt eine konkrete normative Verbindung ein, die indessen nicht starr und unauflöslich ist.

Institutionelle Tatsachen werden von Menschen gemacht. Sie enthalten zugleich aber Normen, deren Nichtbefolgung oft Sanktionen nach sich zieht. Die moralischen Gefühle und Überzeugungen des einzelnen Menschen werden normaler Weise in den vorhandenen institutionellen Rahmen gut integriert. Sie sind also nicht etwa irrational und rein subjektiv, sondern sie entstehen im Rahmen des individuellen Sozialisationsprozesses durch Verinnerlichung konstitutiver Regeln der umgebenden Sprach- und Rechtsgemeinschaft. Daher erscheint der Institutionalismus gegenwärtig als diejenige ethische Theorie mit dem relativ größten Erklärungspotential für die Entstehung moralischer Werte und mit dem entscheidenden Vorteil empirischer Prüfbarkeit bei gleichzeitig sehr geringer dogmatischer Vorbelastung.

3 Sind also alle moralischen Werte relativ?

Müssen wir aus dem ethischen Institutionalismus nun folgern, dass unsere moralischen Werte völlig beliebig und relativ sind, also „gleichwertig“ (oder gleichermaßen wertlos) im wörtlichen Sinne? Dies wäre womöglich eine fatale Konsequenz, die uns jedoch vor allem von Seiten der sogenannten „postmodernen“ Philosophie nahe gelegt werden könnte. Zum Glück beruht diese Philosophie – wie 1999 Alan Sokal und Jean Bricmont in ihrem Buch Eleganter Unsinn (12) eindrucksvoll gezeigt haben – auf unhaltbaren erkenntnistheoretischen Voraussetzungen wie etwa auf dem Trugbild einer ontologischen Reduktion der Außenwelt auf ein reines Sprachspiel sowie auf der Leugnung des Unterschieds zwischen rohen (oder „natürlichen“) und institutionellen Tatsachen. So kommt es auch, dass die Vertreter dieser antinaturalistischen Wissenschaftsideologie neuere biophilosophische Ansätze wie etwa die Evolutionäre Erkenntnistheorie, die Evolutionäre Ethik (13, 14, 15) und die Soziobiologie (16) bekämpfen oder ignorieren. Gerade die biophilosophischen Theorien sind jedoch von größter Bedeutung für eine künftige Philosophie des Geistes und somit auch für die Ethik, weshalb es sich gerade im Rahmen des Themas prädiktive Medizin, das ja im engeren Sinne mit den „Genen“ zu tun hat, geradezu anbietet, einen Blick auf diese Theorien zu werfen.

3.1 Evolutionäre Erkenntnistheorie

Die Evolutionäre Erkenntnistheorie, die auf den österreichischen Verhaltensforscher Konrad Lorenz (1903-1989) sowie auf dessen Schüler Rupert Riedl (*1925) und Franz M. Wuketits (*1955) zurückgeht, beschäftigt sich mit der biologischen Evolution kognitiver Systeme und Fähigkeiten. Sie ist eine naturphilosophische Theorie der phylogenetischen Entwicklung des menschlichen Erkenntnisapparates, die neben der neodarwinischen Evolutionstheorie noch drei weitere Prämissen voraussetzt (17): 1. als Erkenntnistheorie den Hypothetischen Realismus, 2. ein projektives Modell des menschlichen Erkenntnisapparates, wonach im Erkenntnisprozess reale Objekte und Strukturen aus ihren Projektionen rekonstruiert werden und 3. eine naturalistische Theorie von Gehirn und Bewusstsein, nach der Geist, Seele und Bewusstsein emergente biologische Systemeigenschaften des Zentralnervensystems sind. Der Evolutionären Erkenntnistheorie sind bislang keine inneren Widersprüche nachgewiesen worden, und sie verfügt über eine erhebliche Problemlösungspotenz.

Der Philosoph Gerhard Vollmer beschrieb das zu realisierende Programm der Evolutionären Erkenntnistheorie wie folgt: „Gedächtnis und Lernvermögen, Neugier, Abstraktion und Generalisation, Schaffung und Gebrauch von Begriffen, Bildung von Hypothesen, kommunikative Bedürfnisse, Gebrauch einer deskriptiven und argumentativen Sprache, eine kritische Haltung und das Bedürfnis nach intersubjektiver Zustimmung – all das sind in der Tat typisch menschliche Züge, die biologisch verwurzelt und zugleich für die Wissenschaft konstitutiv sind. Hier liegt ein weites Feld, das von einer Evolutionären Neurowissenschaft, einer Evolutionären Psychologie und der Evolutionären Erkenntnistheorie erforscht werden kann und erforscht werden sollte“.

3.2 Evolutionäre Ethik und Soziobiologie

Wie die Evolutionäre Erkenntnistheorie ist auch die Evolutionäre Ethik eine „Satellitentheorie“ der allgemeinen Evolutionslehre. Als erklärende Theorie verfolgt die Evolutionäre Ethik keine normativen Ziele. Sie soll vielmehr die historische Entwicklung des empirisch beobachteten sittlichen Verhaltens verständlich machen. Die Evolutionäre Ethik zielt darauf ab, unsere angeborenen Verhaltens- und Handlungsstrukturen, kooperatives Verhalten und Altruismus eingeschlossen, als darwinische Anpassungen an unsere evolutionäre Vergangenheit, vor allem an die Umwelt der Jungsteinzeit, also einer rund 10.000 Jahre zurück liegenden Epoche, zu erklären (18). Sie ist demnach eine soziobiologische Handlungstheorie, indem sie bestimmte Grund- und Rahmenbedingungen für soziale Interaktion auf dem Feld der biologischen Phylogenese des Menschen aufsucht.

Bei einer sachgerechten Anwendung der Evolutionären Ethik muss der Forscher allerdings die Gefahr vermeiden, dass er jenem naturalistischen Fehlschluss vom Sein auf das Sollen erliegt, den ich vorhin dargestellt habe. Evolutionäre Ethik ist nur solange ein wissenschaftlich seriöses Verfahren, wie sie deskriptiv arbeitet und normative Festschreibungen vermeidet. Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Schmerz, Leiden und Sterben sind wertneutrale Mechanismen der biologischen Evolution. Es wäre aber ein logischer Fehlschluss, wenn man aus dieser Tatsache eine Rechtfertigung dafür ableiten würde, dass Menschen – durch ihre Gene gleichsam gezwungen – andere Menschen quälen, foltern oder töten dürften (19). Deskriptive Aussagen können an der Erfahrung überprüft werden und sich dabei bewähren oder aber scheitern. Dagegen können Normen empirisch weder auf Wahrheit noch auf Geltung befragt werden, sondern sie sind lediglich pragmatisch im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit, Lehrbarkeit, Verständlichkeit, und Plausibilität kritisierbar.

Aus dem Sein folgt nicht das Sollen; allerdings auch nicht dessen Gegenteil (das wäre ein kontrafaktizistischer Fehlschluss vom Sein auf das Nicht-Sollen). Wohl aber könnte die Soziobiologie durch methodisch gewonnenes Wissen über die im Lauf der Evolution erworbene menschliche „Neigungsstruktur“ Erkenntnisse über die Grenzen erfüllbarer normativer Forderungen an den Menschen bereitstellen. Das aus der Steinzeit überkommene biologische Erbe bringt Probleme mit sich: Das Natürliche ist in der heutigen Welt eben nicht unbedingt das Gute. Natürliches, das früher vernünftig gewesen sein mag, kann heute sinnlos geworden sein. Was früher das individuelle oder kollektive Überleben förderte, zum Beispiel kriegerische Aggressivität, mag heute kontraproduktiv und selbstzerstörerisch wirken. Die Ursache für dieses Dilemma liegt in der Divergenz zwischen dem äußerst langsamen Tempo der biologischen Evolution und der hohen, sich im Verlauf der Geschichte steigernden Geschwindigkeit des sozialen Wandels begründet (20).

Ist das für mich jetzt relevant? Ich kann meine Moral nicht letztbegründen, heißt das, dass ich darauf verzichten muss, mich für das was ich für richtig halte einzusetzen?

Keineswegs, denn wenn Werte intersubjektiv von Menschen aufgestellt werden, dann kann ich als Einzelner meinen Teil zu dieser „kollektiven Wertefindung“ beitragen – dazu bedarf es keiner Objektivität. Und was Tierrechte angeht, bin ich sogar optimistisch, da die Tierbefreiung meiner Meinung nach die konsequente Fortführung vergangener Befreiungsbewegungen darstellt. Die moralische Basis für intersubjektive Tierrechte dürfte also vorhanden sein.